Georgy Catoire

Catoire
Catoire

Erstaunt nimmt man zur Kenntnis, wie viele begnadete Komponisten von der Nachwelt mit völliger Mißachtung gestraft werden. Zu jenen großen „Unbekannten“ zählt auch der russische Komponist französischer Abstammung Georgy Catoire (1861–1926).

 

Großbürgerlichen Verhältnissen entstammend erhielt Catoire in seinen Jugendjahren Klavierstunden bei Karl Klindworth, dem Liszt-Schüler und Wagner-Adepten, der damals eine Professur am Moskauer Konservatorium innehatte. Doch sollte die Entscheidung für den Musikerberuf erst später fallen. Catoire absolvierte zunächst ein Mathematikstudium in seiner Heimatstadt. Als schließlich der Wunsch in ihm aufkeimte, die musikalische Ausbildung bei Klindworth fortzusetzen, folgte er seinem Lehrer 1885 nach Berlin.

 

Zwei Jahre darauf wieder zurück in Russland (und ein überzeugter Wagnerianer) vervollkommnete Catoire sein theoretisches und kompositionstechnisches Wissen bei Nikolai Rimski-Korsakow, Antoli Ljadow, Anton Arenski, Sergei Tanejew und Peter Tschaikowsky, der ihm großes Talent bescheinigte. Jedoch ist das handwerkliche Können, von dem sein Gesamtwerk zeugt, ebenso auch beharrlichem Selbststudium zuzuschreiben.

 

Die letzten zehn Jahre bis zu seinem Tode leitete Catoire eine Kompositionsklasse als Professor am Moskauer Konservatorium. Aus dieser Zeit sind keine musikalischen Werke bekannt. Seine musiktheoretischen Erkenntnisse hat Catoire in verschiedenen Schriftwerken niedergelegt. Dass sein Werkkatalog die Opuszahl 36 nicht übersteigt, mag sich durch einen ausgeprägten Qualitätsanspruch an sich selbst erklären.

 

In dem Buch Modern Russian Composers (1927) hob der Musikologe Leonid Sabanejew (er verließ die UdSSR 1926) hervor, dass es Catoire an der unverzichtbar gewordenen Fähigkeit, für sich selbst zu werben, empfindlich gemangelt habe und seine Musik sich in ihrer ausgesuchten Feinheit nicht an die Massen wende. Gleichwohl nannte er ihn einen großen Musiker konservativer Haltung und resümiert: „Only in his chamber world, where traditions are more carefully preserved, has his work an excellent chance of survival.“

 

Für Streicherbesetzung und Klavier komponierte Catoire ein Trio, ein Quartett und ein Quintett, ferner für Violine und Klavier zwei Sonaten und eine Elegie. Ergänzt wird sein bedeutendes Kammermusikschaffen durch ein Streichquartett und ein Streichquintett. Die große Form ist mit einer Symphonie und einem Klavierkonzert vertreten. Mehr als 30 Klavierstücke und fast 40 Lieder sind im Druck erschienen. Hinzu kommen Chorwerke, eine symphonische Dichtung und wenige Klaviertranskriptionen.

 

Unter seinen russischen Musikerkollegen hatte Catoire aufrichtige Bewunderer, so Alexander Goldenweiser, den Pianisten und Klavierpädagogen. Dessen Schüler, Samuil Feinberg, führte 1927 gemeinsam mit dem »Streichquartett des Moskauer Konservatoriums« das Klavierquartett op. 28 sogar in Deutschland auf. Und Wiktor Beljajew, einflussreicher Vorkämpfer der zeitgenössischen Musik, brachte 1926 als ersten Beitrag in der Reihe Biographien Moderner Russischer Komponisten eine deutsch-russischsprachige Porträtstudie heraus. Doch in Ost wie West fiel Georgy Catoire nach seinem Tode der Vergessenheit anheim (muss man auch den großen Geiger David Oistrach nennen, der noch späterhin für ihn geworben hat).

 

Mittlerweile aber scheint sich ein Wandel abzuzeichnen. Marc-André Hamelin, einer der renommiertesten Pianisten unserer Zeit, hat 1998 nahezu das gesamte Klavierwerk aufgenommen. Zwei der großen Kammermusikwerke wurden 2007 von der »Amsterdam Chamber Music Society« eingespielt und 2012 ist die Symphonie op. 7 mit dem »Royal Scottish National Orchestra« unter Martin Yates auf CD veröffentlicht worden.

 

Die Pianistin Anna Zassimova schließlich tritt für Catoire ebenso als Forscherin wie als Interpretin ein. Ihre monographische Dissertation wurde von der Universität Heidelberg angenommen und ist 2011 beim Verlag Ernst Kuhn (Berlin) erschienen. Sie hat zuammen mit Laurent Albrecht Breuninger die Werke für Violine und Klavier aufgenommen, zusammen mit der Sopranistin Yana Ivanilova ausgewählte Lieder in Ersteinspielungen vorgelegt und präsentiert die Werke ihres Landsmannes regelmäßig auf dem Podium. So auch im September 2018, als sie die Reihe der Catoire-Konzerte in der Elbphilharmonie eröffnete.

 

Mit diesen Konzerten wollen wir uns in loser Folge für einen wiederzuentdeckenden Musiker einsetzen, von dem Leonid Sabanejew sagte: „Catoire in his creative work combines the mastery and fundamentality of German music with the elegance of the French and the profound lyricism of the Russian.”